Aufruf für eine neue Bewertungsmethode für Softwareskills
Als Freiberufler hantiere ich regelmäßig mit Stellenausschreibungen wie dieser:
Anforderungen
Min. 3 Jahre Oracle-Erfahrung
Min. 3 Jahre Tableau-Erfahrung
Min. 3 Jahre AWS-Erfahrung
Die Kompetenz in Jahren anzugeben ist üblich und erscheint zunächst ein Mal logisch. Man hat über die Jahre die Software sicherlich gut kennen gelernt. Gleichzeitig ist es sehr praktisch wenn man nur eine einzige Kennzahl hat, die den Skill zusammenfasst. Doch die Angabe in Jahren bietet gleich mehrere Probleme.
Funktionsumfang
Ich nutze Word seit über 20 Jahren. Das sagt aber noch lange nichts darüber aus, welche Funktionen ich in Word beherrsche. Schreiben, Schriftart ändern, ein Bild einfügen – geschenkt. Aber was ist mit Silbentrennung, Bearbeitungsmodus oder der Serienbrieferstellung mit Datenbankanbindung? Ebenso kann ich jahrelang die selben drei Funktionen in Tableau oder Oracle nutzen ohne mich weiter zu entwickeln. Die Skills, wachsen nicht allein durch Zeit.
Brutto/Netto-Verhältnis
Wenn ich nun 3 Jahre mit Tableau gearbeitet habe, das aber nur zu 30 % zu meinen Aufgaben gehört hat, habe ich dann weiterhin 3 Jahre Erfahrung oder muss ich den Nettowert ausrechnen und darf ich dann nur 1 Jahr angeben?
Nutzerrolle
Aus der Jahreszahl allein kann ich auch nicht herauslesen, in welchen Rollen ich die Software beherrsche. Ich kann als Administrator sehr geübt darin sein sie zu installieren und zu konfigurieren, auch wenn ich als Endnutzer damit nicht arbeiten kann. Gleichzeitig kann ich ein fachkundiger Endbenutzer sein, jedoch ohne entwickeln zu können. Manchmal kommt auch alles zusammen. Das liegt aber auch nicht allein an der Zeit.
Die Sprachpädagogen sind uns Informatikern da einen Schritt voraus. Wenn es um Fremdsprachen geht, gibt man die Kompetenz nicht in Jahren an. Der „Gemeinsame europäischer Referenzrahmen für Sprachen“ teilt die Sprachkenntnis in sechs Sprachniveaus ein. Hier wird qualitativ beschrieben, welche Fähigkeiten vorhanden sein müssen.
A1 |
Anfänger |
A2 |
Grundlegende Kenntnisse |
B1 |
Fortgeschrittene Sprachverwendung |
B2 |
Selbstständige Sprachverwendung |
C1 |
Fachkundige Sprachkenntnisse |
C2 |
Annähernd muttersprachliche Kenntnisse |
Hier als Beispiel die qualitative Beschreibung der Stufe B1. Sie ist in Deutschland die Voraussetzung für eine Arbeitserlaubnis:
„Kann
die Hauptpunkte verstehen, wenn klare Standardsprache verwendet wird
und wenn es um vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw.
geht. Kann die meisten Situationen bewältigen, denen man auf Reisen
im Sprachgebiet begegnet.
Kann sich einfach und zusammenhängend
über vertraute Themen und persönliche Interessengebiete äußern.
Kann über Erfahrungen und Ereignisse berichten, Träume, Hoffnungen
und Ziele beschreiben und zu Plänen und Ansichten kurze Begründungen
oder Erklärungen geben. “
Die detaillierte Beschreibung umfasst auch die einzelnen Fähigkeiten wie Lesen und Schreiben und ist hier zu finden.
Meiner Meinung nach braucht es eine entsprechende Skala auch für Softwareskills. Diese könnten auf Stellenausschreibungen, Trainings, Zertifikaten, Lebensläufen oder auch Social Media Anwendung finden.
Hier ist mein vorsichtiger Vorschlag für einen Referenzrahmen für Softwarekenntnisse. Das höhere Level inkludiert das vorherige.
A1 |
Anfänger |
Kann das Werkzeug seinem Zweck zuordnen und die grundlegenden Funktionen benennen |
A2 |
Grundlegende Kenntnisse |
Beherrscht die grundlegenden Funktionen |
B1 |
Fortgeschrittene Nutzung |
Beherrscht fortgeschrittene Funktionen, die im regelmäßigen Gebrauch Anwendung finden. Kann einfache Problemstellungen lösen. Kann fortgeschrittene Funktion, die selten genutzt werden benennen |
B2 |
Selbstständige Nutzung |
Beherrscht fortgeschrittene Funktionen, die selten Anwendung finden. Kann eigenständig Probleme analysieren und eingrenzen. |
C1 |
Fachkundige Anwenderkenntnisse |
Beherrscht neueste Funktionen. Kann Vor- und Nachteile einzelner Funktionen abwägen. Kann eigenständig Probleme lösen /eingrenzen und beim Hersteller adressieren. |
C2 |
Fachkundige Expertenkenntnisse |
Beherrscht den vollen Funktionsumfang. Kennt die Roadmap des Herrstellers. Ist vertraut mit den aktuell diskutierten Entwicklungen am Softwaremarkt. |
Zusätzlich schlage ich vor die Rolle anhand eines Kürzels zu kennzeichnen
Kürzel |
Rolle |
U |
Nutzer |
D |
Entwickler |
A |
Administrator |
So könnte ein Skill-Profil zukünftig aussehen.
Tableau |
B1 |
Oracle |
C1 |
AWS |
A2 |
Sofern passend, könnte man auch noch die Rolle mit angeben.
Tableau |
|
|
U-C1 |
|
D-B1 |
Oracle |
|
|
U-A1 |
|
D-C2 |
|
A-A1 |
AWS |
|
|
A-B2 |
Es ist deutlich besser ersichtlich wo die Stärken des Experten bzw. der Expertin liegen. Es liegt am Hersteller den Refernzrahmen auf die einzelnen Funktionen herunter zu brechen.
Fazit
In der schnelllebigen IT-Welt muss es möglich sein, sich Skills glaubwürdig anzueignen ohne dies mit jahrelanger Erfahrung untermauern zu müssen. Der Rhythmus in dem Software obsolet wird, wird stets kürzer. Es entsteht die Gefahr, dass Experten sich gar nicht erst auf das Lernen von Softwareprodukten einlassen, sondern eine Karriere verfolgen in der Methodenkompetenz wichtiger ist. Sie werden Projektleiter, Scrum-Master, Tester. Das beheizt aber umsomehr den Fachkräftemangel. Anstatt fähiges Personal zu ignorieren, weil eine wenig aussagende Jahreszahl zu gering ist, sollte nach Alternativen gesucht werden Skills zu bewerten. Der Referenzrahmen für Sprachen kein ein sehr gutes Vorbild sein.